Schon unser gesunder Menschenverstand sagt uns, was Kinder brauchen. Viel Liebe, ausgewogenen Schlaf, Bewegung und gesunde Ernährung, Anregungen, aber nicht zu viele, viel Verständnis und Humor.
Dieser Artikel bezieht sich hier vor allem auf den Aufbau einer psychischen Gesundheit. Auch darüber könnte man Bücher füllen. Deshalb reduziere ich mich auf drei wichtige Punkte, die mir in meiner beruflichen Erfahrung als Pädagoge und Familientherapeut oft begegnen und wir als Eltern in der Hand haben: Eine tragfähige Eltern-Kind-Bindung, Grenzen zu setzen mit natürlicher Autorität und einen freien Entwicklungsraum des Kindes ohne zu große Erwartungen.
Die Eltern-Kind-Bindung
Eine tragfähigen Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist enorm wichtig. Auch im Erwachsnenalter schauen Psychologen immer wieder zurück zu unserer Kindheit und versuchen, psychische Blockaden in der Eltern-Kind-Verbindung zu lösen. Im Vergleich zu Tieren kommt der Mensch „hilflos“ auf die Welt. Pferde können nach der Geburt schon stehen und laufen. Natürlich brauchen auch sie den Schutz und die Fürsorge ihrer Pferde-Eltern. Ein Mensch erlangt jedoch erst nach 18 Jahren das Erwachsenenalter und somit gestaltet sich die Rolle der Menschen-Eltern als außerordendlich überlebenswichtig.
Man sagt, dass die ersten drei Jahre im Leben die prägendsten sind. Das Kind lernt in dieser Zeit, der Welt zu vertrauen oder eben nicht. Kann kein Urvertrauen erlernt werden, können weiterhin auch die anderen Entwicklungsschritte nicht richtig gelernt werden. Darüber hinaus bilden sich unsere neuronalen Netze im Gehirn. Sind sie einmal gefestigt, kann man sie nur mit enormen Aufwand verändern. Jede Kultur tradiert ihre eigene Verhaltensformen und Werte, die dafür ausschlaggebend sind, wie wir die Welt sehen und sie interpretieren. Ein Kind mit fünf Jahren hat schon eine kulturelle Sichtweise verinnerlicht und weiß, was von ihm erwartet wird und was ein bestimmtes Verhalten in seiner Kultur bedeutet.
In jedem Kontakt mit einem Baby saugt es alle Eindrücke ungefiltert wie ein Schwamm auf. Sie haben noch keinen kritischen Verstand, der äußere Reize auseinanderhalten und bewerten kann. Deswegen orientieren sie sich an den Verhaltensweisen der Eltern. Verhalten diese sich gleich liebevoll, haben die Kleinsten größere Möglichkeiten, die Welt einzuordnen und auf ihre Weise zu verstehen. Verhalten sich die Eltern ambivalent, einmal liebevoll und in einer ähnlichen Situation zurückweisend, werden die Kinder verwirrt und ihr Selbstwertgefühl bleibt auf der Strecke.
Wir stehen als Eltern in der Verantwortung, auf uns selbst zu achten
Die Frage, wie die Eltern in Kontakt mit ihren Kindern treten und eine tragfähige Beziehung zum Nachkommen aufbauen können, kann also nicht unterschätzt werden. Am besten wäre natürlich, sich liebevoll und geduldig anzunähern, um dem Kind das Vertrauen in sich selbst und das Leben zu ermöglichen. Das ist leichter gesagt, als getan. In den ersten Jahren wird den Eltern einiges an Schlaflosigkeit, Geräuschrestistenz und ständiger Bereitschaft abverlangt. Es ist aber auch eine Chance, seine eigene Grenzen zu erweitern und erwachsen zu werden. Je stärker und freudvoller wir sind, desto kraftvoller entwickelt sich auch unser Kind. Wir als Eltern müssen also einen Weg finden, wie wir trotz der Belastung in unserer Mitte bleiben können und unsere Freude und die Vielfalt des Lebens unseren Kindern mitgeben können. Das ist unsere Verantwortung! Wir sind kein Opfer der Gesellschaft!
Grenzen werden durch unsere Präsenz gesetzt
Wenn das Kind größer wird, testet es immer mehr seine Grenzen aus. Manche Grenzen muss jeder erleben. Wir können nicht einfach so auf die Straße laufen oder jemanden anderen an den Haaren ziehen, ohne eine Konsequenz zu spüren. Wie kann man einem Kind Grenzen setzen, sodass es dauraus lernt und sie akzeptiert? Viele Eltern machen es falsch, indem sie viel diskutieren und ungefragt alles erklären. Kinder lernen allerdings nicht durch Argumente, bis sie ungefähr 12 Jahre alt sind. Das ist erstaunlich! Sie erzählen oft nur die Argumente anderer Leute nach oder nutzen sie so, dass sie selbst einen Nutzen daraus ziehen können. Vielmehr achten sie auf unsere Präsenz, auf unsere Energie und Willenskraft. Sie können verstehen, wenn wir etwas sagen, was wir meinen und wenn wir davon überzeugt sind, dass das Kind das auch tun soll.
Ein Beispiel: Sie wollen, dass das Kind in der Küche zum Essen erscheint. Wenn Sie aus der Küche rufen: „Peter, das Essen ist fertig!“ kann es höchtswahrscheinlich sein, dass das Kind nicht kommt und weiter spielt. Oft fangen dann die zweiten, dritten und vierten Wiederholungen des gleiben Satzes an, immer lauter und mit jedem weiter gesagten Wort verliert man immer mehr an natürlicher Autorität.
Besser wäre, wenn Sie spätestens bei der zweiten Wiederholung in das Kinderzimmer gehen und dort die gleiche Nachricht mitteilen. Dabei schauen sie das Kind an und sie hätten sogar die Möglichkeit, ohne zu schreien und Autorität zu verlieren, dem Kind mit Körpersprache und liebevollem Nachdruck, seine Verhaltensoptionen extrem einzuschränken. Eltern sind die Bezugspersonen und sollten auch ihre verantwortungsvolle Rolle annehmen. Sie brechen dabei nicht das Herz des Kindes, sondern sie zeigen auch, das eine erwachsene Person sich in der Welt durchsetzen und erfolgreich sein kann.
Kinder sind frei
Oft denkt man, dass Kinder sich auf unser Verhalten eins zu eins reagieren. Ungefähr wie beim Tennis. Man spielt den Ball nach links und der Gegenspieler läuft nach links und spielt man den Ball nach rechts, läuft der Gegenspieler nach rechts. Dabei wird oft übersehen, dass auch der Gegenspieler, einfach stehen bleiben kann oder sich lieber die Blumen am Platzrand anschaut. Die Sichtweise, dass ein Kind frei ist und sich nicht beliebig konditinieren lässt, lässt Schuldgefühlen und einer überstiegenen Erwartungshaltung keinen Platz. In dieser schnellebigen Welt brauchen Kinder einen Platz, so sein zu können, wie sie sind und wo sie sich entspannen können. Man hat den Cortisol-Gehalt (Stresshormon) im Blut von Kindergartenkindern gemessen und herausgefunden, dass dieser bei manchen Kindern genauso hoch war wie bei Managern, die in der Wirtschaft in Führungspositionen arbeiten. Das sollte uns aufmerken lassen!
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Kinder Eltern brauchen, die liebevoll und verständnisvoll sind, sich aber durchsetzen können, wenn es darauf ankommt. Sie brauchen einen Raum, um sich in ihrer eigenen Geschwindigkeit, mit ihren eigenen Vorlieben entwickeln zu können. Wenn wir uns darauf fokussieren, können wir auch als Eltern gemäß dem Motto reifen: Denken wir an uns selbst, haben wir Probleme, denken wir an andere, haben wir Aufgaben! Mit unserer Freude und Liebe haben wir es in der Hand, eine von sich selbst bereichernde Beziehung zum Kind aufbauen. Auf diese Weise gewinnen letztendlich alle.
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