Körpersprache am Beispiel „Anspannung“
„Da bin ich mal gespannt“ !
Etwas Neues droht – und ich geh erst einmal auf Spannung.
Doch kann ich mich unter Spannung wirklich auf Neues einlassen?
Was bedeutet Spannung ?
Wenn ich mich „anspanne“, dann ist das in Bezug auf eine flüssige Körperbewegung und lockerer Grundhaltung eine Art „Festhalten“.
Ich halte mich fest, warte erst einmal im ursprünglichen Zustand ab, was hier passiert. Hier begegnen sich offensichtlich zwei Aspekte: das Unterbewusstsein mit meinem Gefühlsleben und meinem Weltbild (Veränderung ist eine Bedrohung ?) und die beobachtbare Körperspannung. Doch wie sinnvoll ist diese Re-Aktion?
Anspannen meint in diesem Beispiel, die Körperspannung so zu erhöhen, dass Bewegung schwerer fällt. Angespannte Muskeln und Faszien erleben dadurch eine geringere Versorgung an Sauerstoff und Stoffwechselreaktionen. Selbst die Wahrnehmungen, somit auch das Reaktionsverhalten wird hiermit eingeschränkt. Sinnvoll kann diese Reaktion allerdings nur sein, wenn ich mich tot stellen will – das heißt in einer absolut ausweglosen Situation werde ich hoffentlich links liegen gelassen, weil ich (fast) nicht mehr lebe. In sehr seltenen Fällen mag mich das weiter bringen – zumindest werde ich dann (manchmal) in Ruhe gelassen.
Doch wenn diese Reaktion automatisiert häufig im Alltag auftritt, dann kann der Schaden deutlich dem Nutzen überwiegen. Die Verspannungen werden chronisch, der Körper fängt an zu schmerzen, der Stoffwechsel entgleist, der Geist wird zu einem Tunnel. Also eine „Stressreaktion“ – allerdings keine sehr nützliche. Stresshormone brauchen Bewegung und einen agilen Stoffwechsel, um im Körper gut abgebaut zu werden – lockere Aktivität wäre also in den meisten Stress – Situationen durchaus wesentlich sinnvoller.
In Bezug auf die Körpersprache haben wir schon einen wesentlichen Punkt herausgearbeitet: Dauerspannung wirkt starr, wie „tot“ - oder zumindest wie kurz davor. Im sozialen Miteinander träumen wir allerdings von sozialer Interaktion, wollen uns aufeinander einlassen, wollen respektiert und ernst genommen werden – allerdings ist das sehr schwer, wenn wir uns dauerhaft „tot stellen“.
Wer möchte schon mit einem Toten oder Sterbenden eine Herausforderung meistern ? Ich denke da an einen Unternehmer, der einen Mitarbeiter für eine Führungsposition auswählen möchte und auf verspannte Menschen trifft....
Ursachen des Spannungsverhaltens
- An erster Stelle möchte ich hier den Verlust des eigenen Körperempfindens anführen.
Durch jahrelange „Spannungsübungen“ in der Sozialisation wie z.B. „Bauch rein, Brust raus“, „Setz Dich gerade hin“, „Halt die Beine zusammen“, „Halt still“ und viele mehr, rückt das eigene Empfinden für Spannung immer mehr in den Hintergrund. Denn ein wesentliches Merkmal von Dauerspannung ist die voranschreitende Desensibilisierung. Probier das doch Selbst einmal aus:
Spann nur Deinen Oberarm für mehrere Minuten an – er wird immer gefühlloser.
Als Therapeut habe ich es regelmäßig mit Menschen zu tun, die ihre eigenen Spannungen z.B. im Rücken und in der Hüfte nicht mehr wahrnehmen können.
- Die moderne Lebensweise ist außerdem ein sehr wichtiger Faktor für Spannung. Das Fehlen regulierender Bewegungen und Haltungen wie beispielsweise die Hocke, der Schneidersitz oder natürliche körperliche Streckungen führt zu zahlreichen Verkürzungen in Muskulatur und Bindegewebe (=Spannung).
- Weiterhin wirken lange gepflegte Glaubens- und Überzeugungsmuster wie:
„das war immer schon so, deswegen muss es so bleiben“,
„neue Besen kehren gut“
und auch viel unscheinbarere wie das häufige Mantra aus der Einleitung des Artikels:
„Ich bin mal gespannt“.
Hier wird Neues, das in dieser Welt zwangsläufig entsteht, zu einem im wahrsten Sinne
„spannenden Geschehen“.
Die Dinge locker angehen zu lassen wird dann echt schwer....
- Natürlich dürfen hier Ängste, Traumatisierungen – also unverarbeitete Prägungen und Erlebnisse genau sowenig fehlen wie z.B. Rücken- und Gelenkschmerzen.
Allerdings resultieren viele dieser Rücken- und Gelenkschmerzen und auch viele weitere gesundheitlichen Problemen aus einer Dauerspannung in unserem auf Bewegung angewiesenen Organismus! Stoffwechselprobleme wie ungesunde Ernährung, Drogen- und Genussmittelmissbrauch reizen unsere Organe und führen auch häufig zu einer erhöhten Faszienspannung (Spannung im Bindegewebe).
Auswege aus der Spannungsfalle
Ein sicherlich guter erster Schritt ist:
Sein eigenes Spannungsverhalten erst einmal wahrzunehmen.
Hier bewährt sich vor allem eine körperorientierte Methode, mit der ich erforschen kann, wie und wo Ich mich verspanne. Und wenn die Methode gut ist, kann ich damit auch nach und nach meiner bisher unentdeckten Spannungen lösen. Dies ist sowohl in der körperorientierten Therapie als auch in Bewegungskünsten wie dem Taijiquan, Yoga und in vielen weiteren erlernbar.
Weiterhin bietet sich ein Durchleuchten des Alltags auf versteckte Prägungen, Glaubenssätze und ungünstige Sozialisierungsmuster an. Im Coaching oder in der systemischen Therapie ist dort häufig Hilfe zu finden. Auch Körpersprachetraining und Theater- improvisation sind hier zweckmäßige Mittel, die bei der Veränderung der Spannung und des Bewegungsverhaltens helfen können.
Mit einer Ernährungs- oder auch Suchtberatung kann ich außerdem Fehler in der Lebensführung aufdecken und auch so den Stoffwechsel optimieren.
In meiner Praxis und in Kursen und Seminaren
gehe ich wie folgt vor:
1. Haltung erkennen – durch Spiegeln
2. Widerstandstests und Balance – Tests, um die Ungleichheit selbst zu spüren
3. Übungen aus den daoistischen Bewegungskünsten, um den Körper wieder zu lösen und ihn neu zu balancieren
4. Übungen unter Einwirkung von Kräften, um die Kräfteverteilung im Körper zu verstehen und zu üben
5. Übungen zur Körpersprache – Widersprüche erkennen und harmonisieren
6. Tipps zur Lebenspflege: Ernährung, Stressmanagement, Konfliktbearbeitung
7. Umsetzen im Alltag und Feedback
Die Fähigkeit, Körpersprache zu lesen und zu interpretieren, ist oftmals sehr nützlich als Hilfsmittel für Therapeuten, Coachs und auch zur Verbesserung der Selbstwahrnehmung bei der eigenen Veränderungsarbeit.
Hier findest Du einen weiteren Artikel zur Körpersprache inklusive einem Video:
Körpersprache am Beispiel der Hohlkreuzhaltung
Viel Erfolg bei Deiner Veränderungsarbeit!
Ihr Jürgen Seibold
Links
daoistische Übungen zur Veränderungsarbeit
Warum es wichtig ist, die Ursachen Ihrer Krankheit zu kennen
Rückenschmerzen und Gelenkschmerzen – häufige Ursachen
Stressbewältigung: das 3er Prinzip der Gesundheit
Filme
Körpersprache – Veränderung: Hohlkreuzhaltung
Lendenwirbelsäule: Psychosomatik
Lendenwirbelsäule: Einfluss der Haltung
Autor: Jürgen Seibold
Thema: Körpersprache am Beispiel "Anspannung"
Webseite: https://www.heilkundezentrum-midgard.de